Wer sind die Menschen, die nach ihrer Flucht nach Roßdorf kommen? Was haben sie erlebt? Was wünschen sie sich? Von diesen Menschen wollen wir erzählen.
Mahamed (28) war ein Jahr unterwegs. Er floh – wie viele vor ihm – aus der Diktatur in Eritrea über Äthiopien, den Sudan, Libyen und Italien nach Deutschland: Zuerst zu Fuß, dann per Auto durch die Sahara, später mit einem Leck geschlagenen Schiff über’s Mittelmeer, wo die italienische Marine die Schiffbrüchigen rettete. Damals war er 24 Jahre alt. „Warum hast du diesen gefährlichen Weg gemacht“, wollte ich wissen. „Wenn du in Eritrea nach der 11. Klasse weiter zur Schule gehen willst, musst du in die Stadt gehen. Die Schule dort ist aber keine normale Schule, so wie in Deutschland. Es sind acht Monate Schule und vier Monate Militärdienst pro Jahr. Du kannst nicht zur Schule gehen, ohne auch Soldat zu sein! Und wenn du nicht sehr gut in der Schule bist, darfst du nicht weiter lernen. Dann musst du ganz und gar Soldat werden“, erzählt Mahamed. Alle jungen Leute, Männer wie Frauen, müssen viele Jahre lang Militärdienst leisten. „Deshalb flieht jeder, der kann. Das Land verliert seit vielen Jahren seine Jugend. Das ist eine Katastrophe für das Land und die Menschen dort.“
So ist es auch in Mahameds Familie: Er hat noch sieben Schwestern. Eine lebt in Holland, eine in Südarabien, eine in Libyen. Die anderen Geschwister und seine alten Eltern sind noch Zuhause, aber es ist schwer, Kontakt zu halten. In seinem Dorf gibt es keine Telefonverbindung.
Seit drei Jahren ist er nun in Deutschland und hat inzwischen eine Aufenthaltsgenehmigung. Zusammen mit seinem Neffen (21) wohnt er in einem kleinen Zimmer in der Gemeinschaftsunterkunft In den Leppsteinswiesen. In den letzten Monaten hat Mahamed intensiv Deutsch gelernt. Endlich durfte er in Darmstadt einen Sprachkurs besuchen. Inzwischen versteht und spricht der sehr sympathische junge Mann schon recht gut Deutsch. Aber er will weiter lernen, am liebsten einen Beruf. Sein Wunschberuf ist Tischler oder ein anderes Handwerk. Er hofft, dass er bald, wenn er sein B1-Deutschzertifikat hat, ein Berufspraktikum im Betrieb machen kann und danach eine Ausbildung. Ganz ohne Schule oder Ausbildung wird ihm die Zeit lang; er will etwas tun.
Gerne möchte er auch wieder Fußball spielen. In Klein-Umstadt, wo er vor Roßdorf wohnte, war er ein Jahr lang im Fußballverein. Hier hat er bislang noch keinen Anschluss gefunden.
Sobald seine nächsten Schritte geklärt sind, wenn er eine Ausbildung oder eine Ausbildungsvorbereitung machen kann, wünscht er sich auch eine eigene kleine Wohnung oder ein eigenes Zimmer. Er weiß, dass es sehr schwer ist, etwas Passendes zu finden. Mahamed ist da realistisch, aber auch zielstrebig. Denn er weiß: Das Zusammenleben mit seinem Neffen auf engstem Raum tut beiden nicht gut. Das soll sich bald ändern.
Danach gefragt, wie sich der Alltag in Eritrea und Deutschland unterscheidet, erzählt er: „Wenn Zuhause vier junge Leute in der Öffentlichkeit zusammensitzen und auch nur Kaffee trinken, kommt gleich die Polizei und jagt sie weg. Polizei und Regierung sind sehr misstrauisch. Sie vermuten überall die Opposition. Ganz schnell ist man im Gefängnis. In Deutschland gibt es Freiheit und nicht ständig Stress mit der Polizei. Außerdem gibt es hier Freiheit für die Religionen. Hier darf jeder glauben, was er will. Deutschland ist Freiheit. Hier ist alles okay“, sagt Mahamed und lächelt.
Susanne Felger, AK Asyl Roßdorf-Gundernhausen