Ihr großer Wunsch: ein Zuhause in Roßdorf Die Geschichte von Almaz und Josef*

Ihr großer Wunsch: ein Zuhause in Roßdorf Die Geschichte von Almaz und Josef*

Wer sind die Menschen, die nach ihrer Flucht zu uns kommen? Was haben sie erlebt? Was wünschen sie sich? Von diesen Menschen wollen wir erzählen; genauso wie von denjenigen, die sie mit viel Engagement unterstützen.

Vor 2 ¾ Jahren kamen Almaz (38) und ihr Sohn Josef (13) nach kurzen Zwischenstationen in Gießen, Griesheim und Reinheim nach Roßdorf. Seither bewohnen sie in der Gemeinschaftsunterkunft „In den Leppsteinswiesen“ eine kleine Wohnung. Ihr einziges Zimmer hat gerade mal Platz für zwei Betten und einen niedrigen Tisch. Hier spielt sich das ganzes Familienleben ab: Essen, Kochen, Wäschewaschen, Hausaufgaben machen, Deutsch lernen, Freizeit, Schlafen. Dieses Zusammenleben auf engstem Raum wird immer belastender für die beiden, obwohl sie sich wirklich gut verstehen. Können Sie sich vorstellen, auf Jahre mit ihrem Sohn in einem Zimmer zu leben, zumal wenn dieser langsam erwachsen wird?

Eine kleine 2-Zimmer-Wohnung für die beiden wäre so wichtig und ihr dringender Wunsch! Aus der Gemeinschaftsunterkunft dürfen sie jederzeit ausziehen. Am liebsten möchten sie in Roßdorf bleiben, denn hier sind die beiden inzwischen Zuhause. Hier haben sie viele Kontakte und Freunde: Almaz hat eine erste Arbeitsstelle, Josef geht hier zur Schule. Hier wollen sie nach langer Flucht Wurzeln schlagen! Wer kann den beiden helfen?

Almaz und Josef kommen aus Addis Abeba, Äthiopiens Hauptstadt. Dort betrieb die Familie eine kleine Näherei. Eines Tages verließ Almaz Ehemann, Josefs Vater, der Schneider und Politiker war, das Haus und kam nicht zurück. Nie wieder. Alle Nachforschungen blieben ohne Ergebnis: War er verhaftet, war er im Gefängnis oder gar tot? Niemand wusste es. Er blieb verschwunden.

Weil die Verfolger ihres Mannes auch Almaz bedrohten, verließ sie mit Josef ihre Heimat und floh in den Sudan. Dort waren die Lebensumstände aber mehr als schwierig. Es gab keine Zukunft: Keine Schule für den 8-jährigen Josef, keine Arbeit für sie selbst, keinerlei Chance, sich ein neues Leben aufzubauen. Und zurück konnten sie nicht. Nach zwei Jahren flohen sie weiter nach Deutschland und beantragten Asyl. Inzwischen haben sie eine Aufenthalts-gestattung.

Traurig macht Almaz, dass sie zu ihrer Familie Zuhause kaum Kontakt hat. Eine Telefonverbindung herzustellen, sei sehr schwierig, erzählen sie.

Josef erinnert sich kaum mehr an sein Leben in Addis Abeba, nur noch an einen Park mit Spielplatz, sagt er. Sein Zuhause ist jetzt Roßdorf und seine Passion ist Fußball. „Fußball und Schule, das ist sein Leben!“, sagt Almaz lachend. Und ihr Sohn – ein schlanker, hübscher Kerl in Sportdress – strahlt, während er erzählt: 2x pro Woche trainiert der Mittelfeldspieler beim FSV Groß-Zimmern (C-Jugend) und an den Wochenenden hat er wichtige Spiele. Samstags kickt er oft mit seinen Roßdörfer Freunden und natürlich spielt er in der Fußball-AG seiner Schule. Nach einem ersten Schuljahr in einer Darmstädter Intensivklasse zum Deutsch lernen, wechselte er an die Justin-Wagner-Schule. Wie es ihm dort gefällt, wollte ich wissen. „Naja, wie Schule eben ist,“ sagt er. „Schule ist Schule. In Äthiopien hätte ich auch zur Schule gehen müssen. Das hier ist in jedem Fall besser, als nicht zur Schule gehen zu können, wie im Sudan. Dort war das zu teuer. Dafür hatten wir kein Geld,“ erzählt er. In der Justin-Wagner-Schule ist er gut angekommen. Dort hat er Freunde gefunden und ist ein guter Schüler. Inzwischen besucht er die 7. Klasse.

Auch seine Mutter lernt Deutsch: 4x pro Woche übt sie im Deutschkurs des AK Asyl, der ehrenamtlich in der Unterkunft angeboten wird. Zusätzlich lernt sie mit Gerlinde Fritz vom AK Asyl zwei Stunden pro Woche intensiv. „Wir haben viel Spaß und lachen viel, auch über sprachliche Kuriositäten. Doch manchmal fließen auch Tränen, wenn ihre Gedanken nach Äthiopien und zur Mutter schweifen,“ erzählt Frau Fritz.

Almaz versteht inzwischen recht gut Deutsch, doch das Sprechen fällt ihr schwer. Deutsch ist für sie eine fremde Sprache und Schrift. Zuhause sprechen Josef und Almaz Amharisch – ihre Muttersprache und die Landessprache Äthiopiens.

Almaz hat eine Arbeitserlaubnis und einen ersten Putzjob. Nun steht eine weitere Anstellung in Aussicht. Gerne möchte sie mehr arbeiten. Und sie wünscht sich mehr Kontakte zu Einheimischen, um schneller Deutsch zu lernen.

* dieNamen wurden auf Wunsch geändert

Susanne Felger, AK Asyl Roßdorf-Gundernhausen