Flüchtlingsfrauen engagieren sich
Soraya (38) und ihre Familie hatten wir hier letzte Woche vorgestellt. Nun erzählen wir ihre Geschichte weiter…
Sie ist nicht nur alleinerziehende Mutter von vier Kindern, sie jobbt auch und arbeitet ehrenamtlich. Nur als Hausfrau scheint das Leben dieser freundlichen Frau jedenfalls nicht ausgefüllt: Sie sieht, wer Hilfe braucht und hat Ideen, wie man die Welt ein wenig besser machen kann. Besonders liegt ihr das oft harte Leben der Frauen am Herzen. Das merkt man sofort, wenn Soraya ruhig und selbstbewusst erzählt, was sie alles macht.
So wundert es nicht, dass sie kurz nach ihrem Erstkontakt zum Asylkreis, mit ihm zusammen, einen Deutschkurs für Flüchtlingsfrauen initiierte. Gemeinsam mit Engelbert Jennewein, der als pensionierter Lehrer Know-how und viel Erfahrung mitbringt, unterrichtet sie ehrenamtlich seit einigen Monaten mit Ausdauer und Können meist somalische Frauen aus ihrer Nachbarschaft. Dank dieser Arbeit als „Lehrerin, Sprach- und Kulturmittlerin“ findet sich nun 2x wöchentlich eine gut besuchte, stabile Lerngruppe zusammen. Rund 10 Frauen aus Somalia, der Türkei und Rumänien treffen sich in der „Neuen Schule“ zum Deutschkurs. Da ihr Kenntnisstand sehr unterschiedlich ist, gelingt das nur mit sehr individualisiertem Lernen: allein, zu zweit, in Kleingruppen, an den vom Asylkreis mitgebrachten Laptops oder am Computer-Arbeitsplatz der Gemeindebücherei arbeiten die jungen Frauen sehr konzentriert, unter Anleitung von Engelbert und Soraya. Gelernt wird mit Arbeitsmaterialien aus der Erwachsenenbildung, mit Audio-Lernprogrammen und oft mit dem Smartphone in der Hand. Dieses ist als Übersetzungshilfe und mit Selbstlern-Apps ein wichtiges Werkzeug – nicht zuletzt beim Üben allein Zuhause. Immer wieder geht es darum, Deutsch zu hören, zu sprechen sowie die Schrift, Wörter und Grammatik zu üben. Die Frauen sind mit Eifer dabei!
Das gelingt nur, weil sie hier (anders als in den meisten Deutschkursen) ihre kleinen Kinder mitbringen können. Im Wechsel, betreut immer eine der Teilnehmerinnen, teils vom Asylkreis unterstützt, die Kinderschar in einem Nachbarraum. Dort wird gespielt, gebastelt und oft ebenfalls Deutsch gesprochen.
Nicht zuletzt die Betreiber der Wohnblocks im Roßdörfer Gewerbegebiet schätzen Sorayas Sprach-, Kommunikations- und Organisationstalent. Für die alten wie die neuen Hausbesitzer/Vermieter arbeitet und berät sie die Bewohner auf Minijob-Basis im Büro der Hausverwaltung nun stundenweise. Als ich eintraf, wurden gerade die Schlüssel zur neuen Briefkastenanlage ausgegeben.
Bestimmt fordert und fördert dieser Job nicht alle Talente Sorayas, aber er passt zu ihrer aktuellen Lebenslage als Alleinerziehende. Das Büro ist „um die Ecke“ und die Bürozeiten sind mit ihren Familienaufgaben gut vereinbar. Die Hausbewohner/innen jedenfalls schätzen Sorayas Hilfe und kommen mit vielen Fragen und Sorgen zu ihr. Mitunter hilft sie dann als Nachbarin, nicht im Rahmen ihrer Aufgaben im Büro der Hausverwaltung.
Engagiert haben sich die Somalier/innen aus ihrer Nachbarschaft kürzlich auch für ein Wasserversorgungsprojekt in Somlia: Dafür hat Soraya bei ihren Landsleuten erfolgreich gesammelt und über eine internationale Organisation gespendet. Auch kleine Spenden helfen, weil sich viele Menschen beteiligen!
Dies alles ist gelebte Solidarität und Menschenliebe. So werden Roßdörfer Neubürger/innen, die selbst geflüchtet sind, zu Helfer/innen.
Susanne Felger, AK Asyl Roßdorf-Gundernhausen